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Zehn Fragen an … Shepard Fairey

22 Posted by - 1. Oktober 2014 - Protagonisten

Obey! – Überall wo dieses kleine Wörtchen auf Stickern, Postern oder auf Wandbilder in unseren Städten prangt, hat Shepard Fairey sein Zeichen hinterlassen – und wenn es die Wirkung entfaltet, die sich der Künstler wünscht, bringt es Menschen dazu, sich Fragen zu stellen über die Funktion des öffentlichen Raums und über unsere Gesellschaft ganz allgemein. Der 44-jährige Amerikaner, geboren 1970 in South Carolina, ist mittlerweile einer der weltweit bekanntesten zeitgenössischen Street Artists. Bekannt wurde seine Kunst vor allem durch sein ikonischen Obama-„Hope“-Plakat, das während des Präsidentschaftswahlkampfes 2008 entstand – der New Yorker nannte das Bild „die wirkungsmächtigste politische Illustration Amerikas seit „Uncle Sam Want’s You“. In der Skateboard- und Streetart-Szene machte Fairey vor allem durch seine OBEY GIANT-Aktionen von sich Reden, mit der er bereits 1989 begann. Für Betondelta hat er zehn Antworten auf zehn Fragen. 3,2,1, go! 

BETONDELTA: 1. Tennessee Williams hat mal gesagt: „Es gibt keine Erinnerung ohne Musik.“ Welche ist deine erste?

Shepard Fairey: Mmmh, das ist wahrscheinlich, dass ich einen Song von Wings, Paul McCartneys Band mit seiner Frau Linda, im Radio höre. Wow, das ist lange her. Ich bin jetzt 44 und in den frühen 70ern, als ich klein war, liefen die Wings ständig im Radio: „Band On The Run“ zum Beispiel, das habe ich geliebt. Ich saß in unserem Familienauto, wo auch hinter der Rückbank Lautsprecher eingebaut waren. Ich bin da immer nach hinten gekrabbelt, habe meinen Kopf gegen die Lautsprecher gelehnt und vor mich hin geträumt.

2. Als du noch ein Kind warst – was hast du dir da ganz anders vorgestellt, als du es heute tust?

Ich habe damals auf jeden Fall gedacht, dass wenn du etwas wirklich bemerkenswertes machst und die Straße mit erhobenem Kopf hinuntergehen kannst, dass die Leute dich dann auch gut behandeln. Das stimmt leider überhaupt nicht.

Foto: Fuzheado

Shepard Fairey (Foto: Fuzheado)

3. Wenn du für einen Tag einen völlig anderen Job machen könntest, welcher würde das sein?

Einen anderen Beruf? Mmmh, ich kann mir nichts anderes vorstellen, was ich gut könnte. Wirklich überhaupt nichts! Aber, wenn das hier eh Fantasie ist: Ich liebe gutes Essen. Wenn ich also lernen könnte, ein wirklich guter Koch zu sein, wäre das toll.

4. Gibt es für dich eine Trennung zwischen Leben und Arbeit?

Nein, eigentlich nicht. Es gibt da eine recht lustige Geschichte. Dazu musst du wissen, Los Angeles, wo ich wohne, ist ein ziemlich narzisstischer Ort. 2001 wollte die LA Weekly, ein Magazin, das ich eigentlich ziemlich cool finde, eine Coverstory mit mir machen. Ich fand das toll. Sie wollten einen Fotografen zum mir schicken, um eine Portrait für den Titel aufzunehmen. Ich wollte aber nicht mein Gesicht, sondern meine Kunst auf dem Cover zeigen, weil ich fand, dass das eine präzisere Darstellung davon war, wer ich bin. Die Redakteure waren richtig beleidigt und sagen: Jeder will doch auf unserem Titel sein! Am Ende behaupteten sie, ich hätte mich geweigert, mich fotografieren zu lassen, dabei wollte ich bloß meine Kunst zeigen. Auch heute rate ich jedem, der etwas über mich erfahren will, sich meine Arbeit anzuschauen. Sie wird dir alles über mich erzählen, was du wissen willst.

5. Welchen Menschen, der bereits tot ist, würdest du gerne einmal treffen?

Oh, das ist einfach: Joe Strummer von The Clash. Punkrock und seine rebellische Kraft ist damals in den 80ern auch ein Hauptgrund gewesen, warum die Skateboarding-Szene eine so große Wirkung auf mich hatte: Sex Pistols, The Clash, Black Flag, Dead Kennedys – das war die Musik meiner Jugend. Ich habe durch sie viel über Politik gelernt. Bei The Clash heißt es: „Dollar it’s giving the orders. And they can’t afford to miss a word.“ Sie hatten natürlich Recht.

Mit "Andre The Giant" wurde Fairey in den frühen 90er bekannt. Heute man ihn nicht mehr nur auf Stickern. (Foto:  flickr/JasonParis)

Mit „Andre The Giant“ wurde Fairey in den frühen 90er bekannt. Heute findet man ihn nicht mehr nur auf Stickern. (Foto: flickr/JasonParis)

6. Gerade in der Street Art-Szene wird der Begriff Sellout als Schimpfwort benutzt – warum findest du es nicht schlimm für Geld zu arbeiten?

Ich mache eigentlich nur aus einem Grund Street Art: Weil ich denke, dass es wichtig für den öffentlichen Diskurs ist. Genaugenommen, verliere ich aber viel Geld dabei. Für die Öffentlichkeit ist Street Art gratis, aber nicht für die Künstler. Ich kann es mir bloß leisten, gute, anspruchsvolle Wandbilder und Poster zu machen, weil ich meine Kunst auch verkaufe. Ich glaube, es gibt da einen merkwürdigen, völlig unrealistischen Anspruch, der an Street Artists gestellt wird. Wenn man dieses Konzept auf eine Rockband übertragen würde, würde das bedeuten: Die Band gibt kostenlose Konzerte und die Zuschauer sind entsetzt, wenn die Band dort auch T-Shirts und CDs verkaufen will. Ihr guter Wille wird ihnen als bösartiger Marketing-Plan ausgelegt, um Kohle zu machen. Man kann diesem lächerlichen Standard gar nicht gerecht werden. Ich wurde oft als ein Protagonist des Sellout bezeichnet, nur weil ich auch andere Plattformen für meine Arbeit benutzte. Aber ich glaube, dass es eben viele Wege gibt, seine Kunst mit den Menschen zu teilen, genauso wie es viele Wege gibt, als Künstler finanziell zu überleben.

7. Was geht gerade in der Welt wirklich schief?

Der Klimawandel!

8. Und was denkst du, läuft eigentlich ganz gut?

Technik, denke ich. Weißt du, wir sagen immer, neue Technik sei beides – gut und schlecht. Aber eigentlich verstärkt technischer Fortschritt nur bestimmte Neigungen der Menschen und die sind eben nicht immer positiv.

9. Warum, denkst du, lieben wir die Technik so?

Die Leute sind ja oft zu faul, um sich richtig damit auseinander zusetzen. Technik bedeutet für sie meist nur eine Abkürzung oder Vereinfachung. Wir leben ja in einer Kultur des Oversharing – die Leute teilen anderen viel zu viel über sich selbst mit in der leisen Hoffnung, dass es jemanden interessiert oder dass sie vielleicht sogar für 15 Sekunden Berühmtheit reicht. Aber die Mehrheit der Menschen führt eben nur ein normales, uninteressantes Leben. Man sollte seine Zeit viel lieber damit verbringen, etwas zu schaffen, was es wert ist, geteilt zu werden, als einfach alles zu teilen und zu hoffen, dass schon irgendwas cooles dabei sein wird!

10. Wenn wir heute anfangen würden, die Welt zu retten, wo müssten wir anfangen?

Wir müssen vor allem Schutzvorrichtungen schaffen gegen den Kapitalismus. Denn ein besonders stickendes Nebenprodukt des Kapitalismus’ ist ja die Zerstörung des Planeten. Und weil ich mir Sicherheitsmaßnahmen gegen den Klimawandel wünsche, brauchen wir deswegen erstmal Sicherheitsmaßnahmen gegen den Kapitalismus. Nur um keinen falschen Eindruck zu erwecken: ich bin nicht gegen den Kapitalismus, ich bin nur gegen einen Kapitalismus ohne Schiedsrichter. Jemand, der sagt: „Das ist so nicht okay, das überschreitet eine Grenze!“

Eine Wand von Fairey zum May Day in New York (Foto: flickr/s.huyser)

Ein Mural von Fairey zum May Day in New York (Foto: flickr/s.huyser)

 

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