Rebellion mit offenem Ende

15 Posted by - 24. August 2014 - Pop

Einer der ersten Gedanken, die mir beim Hören durch den Kopf gehen – der erste, der sich da groß und hell herausschält und der gleichzeitig ein Vorsatz ist: Man muss wieder mehr Musik auf Deutsch hören. Musik wie diese, die an die frühe Tocotronic-Antihaltung erinnert, an ein bisschen Ton Steine Scherben und Blumfeld. Musik, die sich mit all der ansteckend fiebrigen Neugier und dem jugendlichen Trotz in der Stimme von Frontmann Paul Pötsch sofort ins Herz schleicht. Der erste Gedanke also, der sich da groß und hell herausschält aus dem musikhörenden Geist und der gleichzeitig ein Vorsatz ist: Man muss wieder mehr Musik auf Deutsch hören. Musik wie diese.

Es ist ein Reflex, den die junge Hamburger Band Trümmer, deren gleichnamiges Debütalbum am Freitag erschienen ist, sehr wahrscheinlich in allen auslöst, die zumindest teilsozialisiert sind von der „Macht kaputt, was euch kaputt macht“-Haltung der Siebziger oder anderen Bands der linksalternativen deutschen Rockmusik, die Gesellschaftskritik und Poesie wie selbstverständlich zusammendenken. Dagegensein, frustriert von Konformität, Leistungsdruck und Kapitalismus, aber auch Jung- und Freisein – darum geht es, wie bei der langen Reihe ihrer Vorbilder, auch bei den Trümmern.

Es sind keine konkreten Handlungsanweisungen, keine neuen, radikalen Ideen zu gesellschaftlichem Umbruch, die Sänger Paul Pötsch da in den gitarrendröhnenden Indie-Rock der Lieder hinein singt. Aber es sind Versuche dem Ausnahmezustand unserer Selbstoptimierungs-gestörten Welt mit Wachsamkeit und lautem Zweifel entgegenzustellen. „Komm‘ wir sehen uns später auf den Barrikaden“ fordert er dann auf und resümiert: „Komplett normal zu sein, das ist doch wirklich geisteskrank“. Und dieses ganze „Früher war alles besser“-Ding ist auch keine Lösung: Nostalgie ist prinzipiell nicht zu ertragen. Gleich im Eröffnungsstück „Schutt und Asche“ heißt es: „Ich hab’s so oft probiert, aber ich bin nicht wie Du“. Wenn also nicht, wie alle anderen, dann eben anders, dann gegen die anderen – das ist die Grundhaltung dieses Albums.

Und klar, das mag in manchen Ohren nach Floskeln klingen. Aber es sind auch Dinge, die in einer Zeit von allgegenwärtigem Zynismus, von ironischer Distanz und Selbstherrlichkeit, nicht oft genug gesagt werden können. Es sind Parolen, die nie zu alt sein werden, solange wir irgendwie immer noch dieses falsche Leben leben, in der es kein richtiges gibt – Adorno knew it best. Trümmer haben es nicht vergessen. Sie haben zwar auch noch keine Antworten auf das Wie, aber eine vorläufige, ein leise Ahnung: „Lieber ein offenes Ende als ein Leben ohne Sinn.“

 

Trümmer …

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