Da kommt etwas durchs hohe Gras

25 Posted by - 18. Mai 2014 - Pipapo

Ein Kommentar

Schon lange versucht Krautreporter.de, den Einfluss von Werbetreibenden und Klickzahlen auf die Berichterstattung im Web einzudämmen. Als Crowdsourcing-Plattform für Journalisten gestartet, erlebt die Website derzeit seine Wiedergeburt als Magazin. Als Magazin ohne Werbung. Als demokratisches Magazin, bei dem Leser die Themen mitbestimmen und beteiligt werden sollen.

Mit seinem Unterstützungsmodell will sich Krautreporter von Werbung und vom Kampf um Klickzahlen unabhängig machen. Stattdessen setzt die Betreiber auf Abonnements und bieten für 60 € pro Jahr – zusätzlich zu den allgemein verfügbaren Artikeln – Workshops, Bonusinhalte und die Erlaubnis zum Kommentieren.

Während letzteres an Paid Comment statt Paid Content denken lässt und lächerlich ist, stößt das Bonusmaterial bei mir recht sauer auf: Ist der innere Kreise der Informierten nicht gegen den romantischen Gedanken des Internets? Gegen den freien Austausch von Informationen?

Jedenfalls ist es anders. Es funktioniert anders.

Krautreporter startet vorfinanziert durch die Erwartungshaltung, im Netz endlich das zu bekommen, was die klassischen Medien einst versprachen: unabhängigen, gut recherchierten Journalismus.
Krautreporter sucht keine Investoren, die ein Zielpublikum für ihre Produkte zu erreichen hoffen, sondern Vorauszahler, die an einer journalistischen Umwälzung beteiligt sein wollen.

„Der Online-Journalismus ist kaputt.“ Deshalb will man den Pressekodex einhalten und sich als erste deutsche Redaktion dem code of fairness verpflichten. So schön diese Versprechen auch sind, genauso traurig ist die Tatsache, dass sie geleistet werden müssen.

Wie ein Team aus Superhelden kommt Krautreporter daher, legt den Eid für wahren Journalismus ab und führt uns so zu einer Zeit zurück, als dieser noch den Anspruch hatte, investigativ, faktengetrieben und nicht tendenziös zu sein. Ob irgendwer diese Zeit jemals erlebte?
Dem Journalismus wird gerne die Nähe zur PR vorgehalten und selbst die Erinnerungen an große Magazine, die durch kluge Autoren und Themen Leser gewannen, sind mit Skandalen durchsetzt.

Eben solche klugen Autoren – das ist der Vorstoß, mit dem man überzeugen will – sollen jetzt das erste Jahresbudget von 900.000 € einsammeln. Stefan Niggemeier ist dabei, Tilo Jung und Richard Gutjahr – und viele weitere Journalisten, die durch kluge Blogs und Berichterstattungen glänzten und jetzt alles in einen Topf werfen.

Wenn man merkt, dass keine Fragen mehr übrig bleiben

Derzeit sind 28 Köpfe auf der Autorenseite zu finden. Ihr Geld verdienen sie bei intellektuell-bürgerlichen Medien. Ihre Arbeit ist nicht unbedingt am politischen Rand zu finden. Was auch nicht schlimm ist. Aufklärerisch darf sie gerne sein. Analytisch und datenbasiert.

Wenn man merkt, dass keine Fragen mehr übrig bleiben, wenn die Geschichte stimmig ist, dann darf sie auch gerne politisch in der Mitte stehen.

Bis jetzt gibt es kaum Hinweise auf die Geschichten, die dort erzählt werden sollen. Man kann die Themen nur erahnen, wenn man die Autorenprofile durchliest. Dafür sollen die Artikel nicht unter Druck erscheinen oder gekauft sein. Recherchiert eben. Sogar einen Faktencheck und ein Korrektorat soll angeschafft werden. Also all das, was man als Leser normalerweise von einem klassischen Zeitschriftenabonnement erwartet.

Wenn an dieser Stelle irgendwann der Skandal der Vereinnahmung entsteht, wird es keinen Unterschied zu klassischen Medien mehr geben.

Die Aktion beweist gutes Timing: wie mit Sascha Lobo abgesprochen wirkt sie , der auf der diesjährigen re:publica wetterte, dass neben Ideologie eben auch Finanzen das Internet bestimmen. Wer nicht zahlt, bekommt weiterhin den klickbasierten, massengetriebenen medialen Erguss.

Es klingt irgendwie gut, dieses Krautreporter, kann man unterstützen, man gibt ja auch Geld für Zigaretten aus. Und das hier ist deutlich spannender.

Aber sollte es schon am Crowdsourcing scheitern, sehe ich den Zeigefinger schon vor mir, der mahnt: Ihr wollt ja gar keinen freien Journalismus.

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