Doku: Feuchter Teenietraum

23 Posted by - 10. Juli 2014 - Projektionen

In KIDD LIFE sehen wir aus nächster Nähe – als wären wir engste Vertraute – die Aufstiegsgeschichte des dänischen Rappers KIDD.Egal ob beim Streit mit seiner Crew, beim Familien- oder Arztbesuch, Backstage oder mit auf der Bühne, beim Kotzen oder feiern – der dänische Dokumentarist Andreas Johnsen ist mit seiner Kamera immer dabei.

Ein jugendlicher Nobody stellt im März 2011 mit ein paar Kumpels aus Jux ein Video ins Netz und erreicht quasi über Nacht ein Millionenpublikum. Nicholas Westwood alias KIDD kann es selbst nicht glauben aber der Song „Kysset med Jamal“ trifft offenbar den Nerv der Zeit:

In „Kuss mit Jamal“ rappt KIDD im groben, provozierenden Slang von Mädels, die gerne was mit ihm starten wollen. Das passt zum Harte-Jungs-Image eines Rappers, auch wenn KIDD später zugibt, dass er keine einizige Zeile ernst meint. Aufstiegsgeschichten durch Youtube-Videos kennen wir, aber der Däne KIDD und seine Kumpels sind vor Johnsens Kamera entwaffnend offen und ehrlich. Sie holen sich auch keinen professionellen Support, sondern managen und produzieren sich im Alleingang – mit Erfolg: KIDD erhält Preise, dirigiert die Agenda der Presse und sogar die dänische Ministerpräsidentin bittet um ein Autogramm für die Tochter.

Wie ist es, wenn man sich selbst und seine Musik gar nicht ernst nimmt und plötzlich im Rampenlicht steht? Was macht man mit all der Aufmerksamkeit und was vor allem, wenn die Scheinwerferlichter weiterziehen, die Karriere ins Stocken gerät? Der dänische Dokumentarfilmer Andreas Johnsen hat KIDD von Beginn an mit der Kamera begleitet. Noch ist das Ergebnis KIDD LIFE nicht in den Kinos zu sehen, hat aber schon den Soundtrack Cologne Preis für Musikdokumentationen gewonnen und ist zum Glück im Netz (siehe unten).

BETONDELTA: Andreas, es wirkt so, als seihst du ein Teil der Crew um KIDD herum – er erzählt dir alles. Die Kamera filmt aus der Hüfte, als wäre sie gar nicht da. Wie hast du das geschafft?

ANDREAS: Ich glaube, Nicholas nimmt die Kamera nicht wahr, wenn ich da bin, sondern nur mich als einen Freund. Das ging ganz schnell damals. Er kannte andere Filme von mir, die er sehr mochte und hat mir einfach vertraut.

Es macht den Eindruck, als wärst du direkt von Beginn an dabei gewesen. Wie hast du das geschafft, bei so einem Zufallserfolg?

Ich habe die Jungs bei einem sehr kleinen Underground-Club auf der Bühne gesehen. Eigentlich war ich da, um einen anderen größeren Act zu filmen. Aber KIDD und seine Crew haben mich sehr beeindruckt: Sie waren so selbstironisch, haben sich nicht ernst genommen und trotzdem so eine enorme Energie ausgestrahlt. Nach dem Motto: Wir können machen, was wir wollen und es ist uns egal, was ihr denkt. Wir machen unser Ding. Das hat mir sehr gefallen. Vielleicht, weil es mich an meine eigene Jugend erinnert hat. Eine Woche später habe ich herausgefunden, wer sie sind und sie gefragt, ob ich sie filmen darf. Sie kannten andere Filme von mir und haben sofort zugesagt.

populär und einsam

Wie hast du es organisiert, bei all diesen richtigen, intimen und wichtigen Momenten dabei zu sein? Wir sind nicht nur bei Konzerten Backstage und im selbstgebastelten Studio mit dabei. Wir sehen die Jungs auch miteinander streiten, erfahren mit KIDD, dass seine Freundin schwanger ist, sitzen mit ihm beim Arzt, weil er von seinen Eskapaden Herpes bekommen hat und sind die Ersten, die ihn nach einer durchzechten Nacht am Morgen aus dem Bett holen.

Die Dreharbeiten haben ungefähr 12 bis 18 Monate gedauert. Wir alle wohnen in Kopenhagen. Also war es für mich nicht schwer, immer wenn ich Zeit hatte, mit ihm abzuhängen und zu tun, was immer er gerade tat. Es war auch eigentlich egal, wann ich da sein konnte, es passierte immer Etwas in dieser Zeit. Wir hätten das auch gar nicht planen können, weil die Ereignisse sich ja sowieso überschlagen haben.

Dein Stil ist nicht nur konsequent, sondern passt auch unglaublich gut zum Thema – diese Kamera, die leicht aus der Untersicht, wie heimlich alles filmt. War das eine bewusste Entscheidung oder auch Zufall?

Ich arbeite sehr intuitiv, ich hab das also nicht geplant. Dass ich die Kamera etwas tiefer halte, liegt daran, dass ich gerne Augenkontakt mit den Leuten habe, die ich filme. Also bin ich als Person involviertmit und deswegen kann ich die Kamera nicht höher halten.

Wie hat sich deine Rolle im Laufe der Zeit dann weiterentwickelt, wenn du so involviert warst?

Als KIDD am populärsten war, war er auch am einsamsten und er hatte nicht wirklich Jemanden, mit dem er reden konnte oder dem er vertrauen konnte. Aber ich war da und ich wollte, dass er Erfolg hat, dass er sich gut fühlt und eine gute Zeit hat. Also habe ich ihm immer versucht zu helfen, ihm Rat zu geben und so bin ich dieser Vertraute geworden.

Es hat als Witz begonnen

KIDD ist von Anfang an völlig baff, dass er so einen Erfolg hat. Er kann nicht glauben, dass die Leute ihm alles abnehmen. Gab es auch Situationen, in denen KIDD dir gegenüber etwas gespielt hat, sich in Szene gesetzt hat?

Nein.

Gab es Momente, die KIDD zensiert hat?

Auch nicht. Es gab Situationen, die ich nicht in den Film hinein genommen habe, um KIDD letztlich zu schützen, weil er immer sehr offen gesprochen hat. Die einzige Situation, in der er mich gebeten hat, die Kamera auszumachen, ist nach seinem Comeback-Auftritt und die ist auch im Film zu sehen.

Abgesehen von diesen entwaffnend ehrlichen Einblicken in die Ups und Downs des Star-Lebens, ist KIDD LIFE auch ein Film über das Musikbusiness und darüber wie Hypes im digitalen Zeitalter generiert und zelebriert werden. Was hat dich überrascht?

Ich war überrascht, dass sie so weit mit KIDD gegangen sind, vor allem wenn man bedenkt, dass alles als Witz angefangen hat. Er ist so schnell so berühmt geworden, die Presse hat nach seiner Nase getanzt – er musste nur was sagen und das war dann die Agenda der Woche. Das war nicht neu für mich aber ich war überrascht, wie weit er damit gekommen ist.

Am Ende des Films schwindet die Aufmerksamkeit. Es ist spannend zu sehen, wie KIDD versucht, damit umzugehen und sich gleichzeitig versucht neuzuerfinden. Wie geht es im heute – habt ihr noch Kontakt?

Es geht im tatsächlich sehr gut. Er hat seit einem Jahr eine feste Freundin. Er trinkt immer noch gerne und viel, aber ist wesentlich ruhiger geworden. Diese ganze Erfahrung hat ihn bestimmt fünf Jahre älter gemacht, aber auch wesentlich klüger. Er arbeitet ernsthaft an seinem zweiten Album, damit er ein starkes Comeback haben kann. Wir sehen uns immer wieder, auch weil wir in der gleichen Straße wohnen. Er ist jetzt sicher glücklicher als zuvor. Aber es war schon schwer für ihn, nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, als seine Kumpels von Cheff Records gehyped wurden. Aber sie sind noch Freunde und arbeiten auch noch zusammen.

Fast alle Filme von Andreas Johnsen lassen sich hier abrufen:

itunes / rosforth films

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