Die neue Compilation „Science Fiction Dancehall Classics“ seziert den bahnbrechenden Sound des britischen Indie-Labels On-U Sound, das in den 80ern mit kühnem Pioniergeist die Dub-Musik erfand, so wie wir sie heute noch in den Clubs hören.
Es war 1980, als Adrian Sherwood sein Label On-Sound gründete. Eine merkwürdige Zeit für die Popmusik: der heiße, wilde Traum von der Punk-Revolution war seit einigen Jahren ausgeträumt und auch die erste staunende Begeisterung für die elektronischen Experimente war schon wieder etwas abgeschwollen (zum Vergleich Kraftwerks „Autobahn“ erschien 1974). Trotzdem waberten die Ideen und Klänge dieser beiden so entscheidenden Popentwicklungen durch die Musikszene – besonders in London, wo sich seit jeher immer Schlupflöcher, Nischen und Freiräume für neue Musik ergeben haben.
In dieser Zeit also schrieb Sherwood sich selbst und seinem Label ein Motto auf die Fahnen – „Disturbing the comfortable, comforting the disturbed.“ – und machte On-U Sound damit zu einem der wichtigsten Dub- und Reggae-Labels Europas. Besonders weil er die verschiedenen Stile der jamaikanischen Musik, die in Großbritannien schon seit den 60ern die Popmusik prägten, mit viel elektronsicher Experimentierfreude weiterentwickelte. Sherwood und seine Künstler interessierten sich für die Energie der Punk-Gitarren genauso wie für die neuen schweren Elektro-Bässe und ließen alles im wunderbar kreativen Chaos der frühen 80er mit Industrial, klöppelnden Drum Machines, Jazz-Getöse und afrikanischen Rhythmen kollidieren.
35 Jahre nach der Gründung hat Adrian Sherwood nun einen anderen, einen nachfolgenden Pionier damit beauftragt, sich durch den On-U-Sound-Katalog zu graben, um den Sound dieser Jahre noch einmal neu aufleben zu lassen: Trevor Jackson brachte mit seinem Label Output seit Mitte der Neunziger Electronica-Acts wie LCD Soundsystem oder Four Tet auf den Weg und hat nur für On-U Sound eine Doppel-CD kuratiert, die die elektronische Seite der Labels abbilden soll. Und ihren Namen verdient diese Sammlung allemal: „Science Fiction Dancehall Classics“.
Auch für Jackson war dieser Sci-Fi-Sound bestimmend, wie er in einem Statement wissen lässt:
“Not only did On-U sound and Adrian Sherwood’s early production work introduce me to dimensions of sound I’d never experienced, inspire me to start making music and start my own record label, his live mixing at a notoriously loud Mark Stewart and the Maffia gig during the mid-80’s also gave me lifelong tinnitus.”
Für die Compilation mischt Jackson alte Label-Helden wie African Head Charge, Mark Stewart And The Maffia und Dub Syndicate mit bisher unbekannten Stücken. Das beste ist ein wunderbar futuristischer Dance-Punk-Track, den Neneh Cherry in ihrer Frühphase mit Adrian Sherwoods Band The Circuit auf nahm.
Das alles in ein schöner Einblick in eine britische Elektroszene, die gerade dabei war die Zukunft der Musik zu erfinden, in der wir heute leben: ein hallender, rauer, kühler Dance-Sound, dem man die 35 Jahre, die er auf dem Buckel hat, erstaunlich oft überhaupt nicht anmerkt.
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