„Es ist die Geschichte eines Siegers“

10 Posted by - 24. Oktober 2014 - Projektionen

BETONDELTA: Du spielst mit James Brown ein überlebensgroße Musiklegende, den Gründungsvater des Funk, eine herausragende Figur der Tanzmusik des 20. Jahrhunderts, den „The Godfather of Soul“. Wie verdammt nochmal schafft man es, sich einer solchen Herausforderung zu stellen?

Chadwick Boseman: Ja, du sagst es, eine riesige Herausforderung war das Ganze. Ich erinnere mich an einen Moment, bevor wir anfingen zu drehen: Ich betrachtete das Vorhaben nochmal von außen, bevor ich voll eingetaucht bin in die Rolle: Und ich hatte wirklich Angst – vor allem vorm Tanzen. Er war ja ein fantastischer Performer. Als ich das erste Mal im Internet Videos von seinen Bühnenshows anschaute, war ich mir sicher, dass ich das im Leben nicht hinkriege. Aber nach den Probeaufnahmen dachte ich: Es ist einen Versuch wert. Obwohl ich nur zwei Monate Zeit hatte, um mich vorzubereiten. Daniel Day Lewis hatte ein Jahr für „Lincoln“ – das hätte ich eigentlich auch gebraucht, vielleicht sogar zwei Jahre.

Wie genau hast du dich auf die Rolle vorbereitet?

Ich habe mir jeden Tag Filmmaterial von Auftritten und Interviews angesehen und in Biografien gelesen. So lange, dass ich irgendwann sogar an den Punkt kam, an dem ich das Gefühl hatte, dass ich lieber aufhören sollte, ihm zuzuschauen und mich stattdessen auf das zu verlassen, was ich bereits wusste und gelernt hatte: Ich hatte auch jeden Tag ein echt hartes Tanztraining.

Es gab in Saturday Night Live eine sehr lustige James Brown-Imitation von Eddie Murphy: “James Brown’s Celebrity Hot Tub.” Hast du dir die zu Vorbereitung angeschaut?

Nein, ich wollte eine Interpretation von James Brown abliefern, keine Imitation. Wenn man ihn nur nachmacht, macht man sich immer auch über ihn lustig. Ich wollte James Brown nicht bloß spielen, sondern verkörpern. Und der Schlüssel zur Rolle war für mich die Vorstellung, die Geschichte eines Mannes zu erzählen, dessen Erfolg in gewissem Sinne völlig unabhängig war von den Situationen, in der er sich befand. Er hat selbst bestimmt, wo er sein will, wo er hingehört. Er war kein klassisches Opfer der Umstände. Es ist eben vor allem die Geschichte eine Siegers. Er wurde ja als Kind einfach stehengelassen und hat trotzdem überlebt. Er war der Typ, der einfach die Tür eingetreten hat und schrie: Ich bin jetzt hier, damit müsste ihr klarkommen.

Genau wie James Brown stammst du aus den Südstaaten – ihr beide seid in South Carolina geboren. Diese Wurzeln waren Regisseur Tate Taylor wohl sehr wichtig: Immerhin ging es darum, jemanden darzustellen, der 1933 in ein beschwerliches Südstaatenleben in Barnwell geboren wurde.

Klar, wir kommen beide aus South Carolina, aber er aus dem Lowcountry, nahe der Grenze zu Georgia, das unterscheidet sich sehr vom Norden des Bundesstaates, wo ich aufwuchs. Ich glaube, Tate war diese Südstaatenherkunft als Fundament trotzdem sehr wichtig. Darum sind wir Beide kurz vor Drehbeginn auch runter gefahren nach Augusta, Georgia, wo er einen großen Teil seiner Kindheit verbracht hat, und haben seine Familie besucht. Ich bin dort oft einfach in den Straßen herumgefahren und habe mir alles angesehen, um so viel wie möglich aufzusaugen. Wenn du dort bist, bekommst du ein ganz gutes Gefühl dafür, wer dieser Mensch war: Sein Haus zu besuchen, sein Schlafzimmer anzugucken, seine Bibel aufzuschlagen, in seiner Küche zu sitzen und zu erfahren, was er gegessen hat. Und dann die verschiedenen persönlichen Geschichten der Leute, die ihn kannten.

Haben sie euch viel über James Brown erzählt?

Das lustige ist, dass eigentlich jeder, der ihn gekannt hat, mir früher oder später seine eigenen James Brown-Imitation vorspielte. Ich habe von allem ein bisschen was verinnerlicht. Sie erzählten mir, warum ihm seine Outfits und die Frisuren so wichtig waren. Er hat das immer so gesehen: Wenn die Leute zu seinen Konzerten kamen, dann sollte sie auch ein wahres Spektakel erleben für ihr Geld. Das Aussehen gehört natürlich dazu. Oder er hat zum Beispiel immer für alle anderen das Essen bestellt im Restaurant. Da hat sich nicht jeder selbst was ausgesucht – James Brown war immer der Dirigent, der Taktgeber: Er hat bestimmt, was für die anderen am Besten ist. Diese Anekdote ist auch in eine Filmszene eingeflossen.

Hast du eigene Erinnerungen an James Brown und seine Musik? Wie präsent war er im South Carolina deiner Kindheit?

Die Songs von James Brown waren natürlich allgegenwärtig: Das war Musik, die meine Eltern gehört haben, die auf Familienfesten gespielt wurde, als ich aufwuchs. Sie gehören für mich wie selbstverständlich zum Soundtrack meines Lebens. Wenn ich einen Song nennen müsste, der auf mich persönlich den stärksten Eindruck hinterlassen hat, dann wäre das wohl „Say It Loud – I’m Black And I’m Proud“.

Das ist ein gutes Stichwort: Denn wie dieser Song ganz gut zeigt, war James Brown ja nie nur ein bloßer Entertainer, seine Kunst, seine Anwesenheit überhaupt als schwarzer Musiker in den amerikanischen Charts hatte immer auch eine politische Dimension. Seine ganze Karriere zeichnet sogar in gewisser Weise die Geschichte der Afroamerikaner nach: von der Armut, Rassentrennung und Diskriminierung während seiner Kindheit, bis zur selbstbewussten Bürgerrechtsbewegung der 60er. Was bedeutet es für dich, eine solche Ikone heute in Obama Amerika zu verkörpern, das scheinbar nur vermeintlich in einer „post-racial era“ steckt?

Naja, ich denke, James Brown war in erster Linie gar kein politischer Künstler. Nicht bewusst zumindest. Er war Musiker, der sich aber auch nicht scheute seine Meinung zu sagen, als er in die Situation kam, dass seine Arbeit auch politische Bedeutung erlangte. Er hat seine Stimme dafür genutzt. Die Black Panthers oder Nation of Islam – das waren ja alles große Brown-Fans. Die sind zu seinen Konzerten nach Harlem gefahren und wollten, dass er Teil ihrer Sache wird. Das war nicht unbedingt seine eigene Idee. Heute mag Rassismus wieder ein wichtiges Thema sein, aber für mich selbst geht es wirklich nur um diese Rolle und um die Zeit, in der sie lebt. Ich versuche da nicht zu viel persönliches hineinzuinterpretieren. Natürlich haben wir nie in einem „post-racial America“ gelebt, selbst jetzt nicht mit Obama als Präsident. Ich als Schauspieler habe aber kein politisches Statement im Sinn, sondern nur die Rolle.

Chadwick Boseman – alias James Brown in Get on Up

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