Die Ausstellung DAVID BOWIE, die heute im Gropius-Bau eröffnet wird, zeigt den Popstar als wilden Exzentriker inmitten des rauschenden Chaos’ seiner Ideen. Der Mann, der mehr war als David Bowie, Ziggy Stardust oder der Thin White Duke. Der Niemand war und Viele zugleich.
Die Kunst David Bowies ist nie nur bunt und schrill gewesen, laut und schockierend – vor allem war sie ihrer Zeit weit voraus. „David Bowie ist die Zukunft, die nie kommen wird“, so steht es auf einer Wand im Gropius-Bau, wo die vom Londoner Victoria & Albert Museum kuratierte Ausstellung bis August gastiert. Stillstehen konnte dieser Künstler nicht, vielleicht überholte er sich selbst und seine Generation deswegen immer fort.
Gleich am Eingang erwartet den Besucher eines dieser Zukunftsgewänder, in die sich Bowie so gern hüllt. Düster und geheimnisvoll begrüßt der vinyl-schwarze Tokio Pop Bodysuit, vom japanischen Modedesigner Kansai Yamamoto 1973 entworfen, das Publikum als Türsteher in Bowies Welt: „Treten Sie ein“, scheint er zu flüstern, „in dieses obskure Universum.“ Und wie als Warnung – oder als Gebrauchsanweisung – für den Parcours durch das Schaffen des Briten steht daneben ein Zitat als Leitgedanke über allem, was da folgen mag:
„All art is unstable. Its meaning is not necessarily that implied by the author. There is no authoritative voice. There are only multiple readings.“
Ein Künstler allein wollte Bowie ohnehin nicht sein – das wird im wilden Wechsel seiner Kunstfiguren klar, der Bühnencharaktere, die er an- und ablegte wie bunten Kostüme. Die Ausstellung führt sie als multimediales Panoptikum vor: Mit flimmernden Videoprojektionen, mit vielen Fotografien und originalen Textnotizen, mit Briefen und Skizzen, Kostümen und Instrumenten und vor allem via Audioguide in Stereoqualität immer in Verbindung mit Songs und O-Tönen. Mehr als 300 Exponate erzählen vom Mythos Bowie.
Da begegnet man Major Tom aus der „Space Oddity“-Zeit und dem rothaarigen, grellgeschminkten Ziggy Stardust, dem futuristischen Lad aus der post-apokalyptischen, Orwell-inspirierten Bilderwelt von „Diamond Dogs“ und schließlich dem schwarz-weißen Bowie der Berlin-Trilogie um den Kult-Hit „Heroes“.
David Bowie liebte diese Rollenspiele und schnell versteht man beim Durchwandern der Ausstellung, die sich in den besten Momenten, wie das Wiedererleben seiner Karrieren anfühlt, dass eben diese enorme Lust an der Kostümierung sein Werk so besonders machte. In einer Zeit als die Popkultur noch an den Fersen der alten Rockidole und der Idee unbedingter Authentizität klebte, zerschmetterte der dürre, blasse Londoner ab 1969 lustvoll alle Ideale. Alles Eindeutige verwischte er im Spektakel seiner Bühnenshow.
Der Mann, der auch Frau war
Einer dieser unauslöschlichen Bowie-Momente ist sein Auftritt mit „Starman“ in der BBC-Show Top of the Pops von 1972, mit dem er den Erfolg seiner Breakthrough-Single „Space Oddity“ endgültig manifestierte. In knallbuntem Jumpsuit und roten Schnürstiefeln stand er da vor der britischen Fernsehnation, die nicht wusste, ob sie einen Mann, eine Frau oder Beides vor sich hatte. Als „radikale Gewalt in Liberty-Stoffen“ beschriebt er das Outfit selbst.
Das Kostüm, zu dem Bowie sich von Kubricks Film „A Clockwork Orange“ inspirieren ließ, steht in der Ausstellung vor einem TV-Mitschnitt des Auftritts. Der Besucher wird wieder zum Publikum dieses sonderbar faszinierenden Exoten. Schon hier ist er jenes Wesen von einem anderen Stern, das er vier Jahre in Nicolas Roegs Sci-Fi-Film „The Men Who Fell To Earth“ spielte.
Einen ganzen Raum widmet die Ausstellung dann auch Bowies Berliner Zeit, in denen er Ende der Siebziger zusammen mit Iggy Pop im Westen der Stadt verbrachte. In Schöneberg erholte er sich vom Drogenwahnsinn Hollywoods, fing wieder an zu Malen und arbeitet mit Brian Eno und Tony Visconti an drei seiner wichtigsten Alben: „Low“, „Heroes“ und „Lodger“.
Berlin – a city to get lost in
Auf Millimeterpapier kritzelte er während einer Aufnahmesession in den Hansastudios den Text von „Hereos“. In der Ausstellung hängt der Zettel neben dem Wohnungsschlüssel des Hauses in der Hauptstraße 155. Bowie führte hier wieder das entschleunigte Leben, nach dem er sich gesehnt hatte. „It’s a city that’s so easy to get lost in“, sagte er 2001 über Berlin, „and to find oneself, too“
Die Ausstellung zeigt die Exzentrik Bowies ebenso, wie seine fieberhafte Schaffenskraft und den Kosmos, in dem seine Kunst entstand: Kinofilme und Bücher, Surrealismus und Raumfahrt, Spirituelles und Science-Fiction, Expressionismus und Computerprogramme. Der Popsong, mit diesem Gedanken verlässt man die Ausstellung, war nur das Ventil, das Medium, das Bowie wählte, um in immer neuen Versuchsanordnungen seinen unerschöpflichen Ideen Ausdruck zu verleihen. Genauso gut hätte er Maler werden können, erzählt er den Besuchers über den Audioguide: „Das Einzige, was ich schon als Kind wusste, war, dass ich es einfacher fand, anders zu sein, als dazuzugehören.“
Die Ausstellung läuft noch bis zum 10. August. Während der gesamten Laufzeit ist der Martin-Gropius-Bau täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. (mehr Infos und Bilder gibt es hier)
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