Und wieder ist sie vorbei: jene winterkalte Woche, in der es in Berlin alljährlich ans Eingemachte unserer digitalen Gegenwart geht. Am Sonntag sind die beiden Schwester-Festivals Transmediale und Club Transmediale zu Ende gegangen. Ein kleiner Erlebnisbericht.
Das Medienkunstfestival feierte in diesem Jahr bereits sein dreißigstes Jubiläum. Die Schwester CTM, bei der es weniger um Diskussionen und künstlerische Zugänge zur digital bestimmten Welt geht, als um experimentelle Musikkultur, ist dagegen zwar noch etwas jünger – aber nicht weniger abenteuerlich.
Jogginghose und Krachschichten
Neben viel Elektronik und Hip-Hop war ein CTM-Highlight in diesem Jahr besonders der Auftritt der norwegischen Avantgarde-Popmusikerin Jenny Hval, die mit dem Lo-Fi-Duo Skrap (Tuba plus analoger Synthesizer) im Theater HAU eine wunderbar weirde Performance ablieferte. Im grau-rosa Jogginganzug tänzelte und zappelte Hval auf der Bühne, wälzte sich über den Boden und lässt den kurzen blonden Haarschopf wie in Trance kreisen. Die Musik dazu sind die Songs ihres aktuellen Albums „Blood Bitch“, die in schrille, trocken klopfende, verhallte Sound- und Krachschichten übersetzt werden und irgendwo im Zwischenraum von Elektric-Rave und Dreampop landen. Es ist Musik zum Abdriften in eine andere Realität: Hvals Bühnenwelt – pinkfarbenes Scheinwerferlicht und Nebelschwaden – lädt ein in eine surreale Nachtwelt, in der alles alles bedeuten kann und die Gedankenströme miteinander verschmelzen. Eine Welt in der Krach von einer auf die andere Sekunde zu etwas Zartem und Transzendentem werden kann. Die Vieldeutigkeit unserer Welt 2017 übersetzt in schöne, kauzige Popsongs.
Wie kommt man um das T-Wort herum?
Bei den Vorträgen, Workshops, Screenings und Performances der Transmediale, die wie jedes Jahr im prächtigen Auster-förmigen Bau des Hauses der Kulturen der Welt über die Bühne gingen, dreht sich diesmal alles um die Frage, wie die Rolle von Medien im Jahr 2017 neu verhandelt werden kann. Eigentlich sollte es unter dem Titel „ever elusive“ wohl vor allem um die Flüchtigkeit unserer sich ständig neu vernetzenden Medienkulturen und um die Abkopplung des Menschen von technischen Prozessen gehen. Scheinbar entstand der programmatische Leitfaden aber vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl.
Denn natürlich schwebte der böse Geist des T-Wortes über den vielen klugen Köpfen, die hier über Gegenwart und Zukunft des Menschen nachdachten. Erstaunlich selten viel der Name dann aber direkt: Trump. Stattdessen ging es um das komplizierte Verhältnis zwischen Mensch und Computer: Welche Rolle hat der Mensch, wenn nicht mehr er im Zentrum der medialen Vermittlung steht, sondern die Algorithmen, fragte etwa der künstlerische Leiter der Transmediale, Christopher Gansing.
Mensch vs. Computer? Wir haben es immer noch selbst in der Hand!
Die guten Antworten auf diese Frage waren dann überraschend optimistische: Die Computer, so überlegen sie erscheinen, sie sind immer noch das Ergebnis derer, die sie sich ausdenken und programmieren. Das zeigte etwa die kanadische Kulturwissenschaftlerin Wendy Chun in einem sehr spannenden Vortrag.
Ihre These: Nicht die technischen Prozesse formen unsere Gewohnheiten, sondern unsere Gewohnheiten formen die Technik. Zum Beispiel sei menschliche Eigenschaft der Homophilie – also das soziale Prinzip „gleich und gleich gesellt sich gern“ – viel eher für Filter-Bubbles und Entfremdungseffekte verantwortlich als die Algorithmen von Facebook. Die Pointe daraus klebt man sich in diesen dunklen Zeiten am besten als tägliche Post-It-Erinnerung an den Kühlschrank: Wir haben es immer noch selbst in der Hand! Wie müssen die Computer nur besser programmieren.
Man kann nicht nicht über Trump reden
Einmal fiel das T-Wort dann aber doch sehr deutlich: Medienwissenschaftler Richard Grusin nahm in einer zornigen Analyse die mediale Funktionsweise des Trump’schen Wahlkampfes als eine „monströse, sich rasant ausbreitende, mutierende Alge in unserer Medien-Lagune“ auseinander. Gewonnen habe Trump nicht durch Inhalte, sondern durch simple „Flutung“ der Schlagzeilen. Grusin unterstrich damit die Bedeutung der Frage: Wie über Trump sprechen, wenn man nicht über ihn sprechen kann? Seine Antwort: permanente Korrektur der „alternativen Fakten“.
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